01.txt – Die perfekte Mutter

Dominik hat in seinem Blog neonwilderness zu einem literarischen Projekt aufgerufen. Er veröffentlich alle drei Wochen ein Wort zu dem jeder Teilnehmer einen Beitrag schreiben darf. Dem Ruf sich an *.txt zu beteiligen sind bis zum heutigen Tag fast 100 Blogger gefolgt. Eine beeindruckende Zahl. Ich finde es spannend zu verfolgen wie viele tolle und doch so unterschiedliche Texte bisher zum ersten Wort „Gratwanderung“ erstellt worden.
Mit dem folgenden Text möchte ich meinen ersten Beitrag zum Projekt leisten:

Ich liebe meine Kinder über alles. Diese Liebe begann nicht erst mit der Geburt. Bereits als Papa Maus und ich uns klar wurden, dass die Zeit für ein Kind reif ist, veränderte ich mein Leben für meine zukünftigen Kinder. Ich kannte sie noch nicht, trotzdem richtete ich mein gesamtes Leben nach und nach auf das eventuell kommende Kind ein.
Ich wollte unserem Kind bereits im Mutterleib perfekte Bedingungen bieten. Ich reduzierte meine Arbeitszeit um weniger Stress zu haben. Ich ernährte mich gesünder, nahm die empfohlenden Mineralstoffe und verzichtete komplett auf Alkohol. Ich weiß natürlich nicht, ob es wirklich daran lag, aber wir mussten uns wirklich nicht lange gedulden und ich wurde schwanger.
Mit der Schwangerschaft und dem ersten Ultraschallbild vom Kuschelbär wurde es wirklich ernst. Google war mein ständiger Begleiter: was und wie viel durfte ich essen, was sollte ich meiden, wie viel Sport war erlaubt und überhaupt wie schwer durfte ich heben. Fragen über Fragen und zu jeder meiner Fragen gab es mindestens 5 unterschiedliche Meinungen von 5 selbsternannten Spezialisten und tausende von werdenden Müttern, die darüber diskutierten. Ich versuchte alles richtig zu machen und schränkte mich noch ein bisschen mehr ein. Es ging schließlich um mein ungeborenes Kind. Wer, wenn nicht ich, sollte sich um dieses kleine Gummibärchen in meinem Bauch kümmern.
Mit der Geburt des Kuschelbärs und der Möglichkeit dieses winzige Geschöpf tatsächlich in unseren Händen zu halten und an unsere Brust zu drücken wurde die Liebe nochmal stärker. Plötzlich war ich Mutter. Die Schwangerschaft ging viel zu schnell vorbei und jetzt fing die Unsicherheit erst richtig an.
Darf ich mein Kind rumtragen, wenn es schreit oder verwöhne ich es zu sehr? Verziehe ich es, wenn ich immer sofort zur Stelle bin? Darf es an mich gekuschelt im Familienbett schlafen oder muss es im eigenen Bett schlafen? Schläft es sonst noch mit 10 Jahren immer noch zwischen uns Eltern?
Jeder der gefragt wird oder auch nicht ist ein Experte und gibt einen gut gemeinten, aber auch unbedingt zu befoldenen Ratschlag ab. Immer mit der Warnung gepaart, sollte man den Ratschlag so nicht umsetzen, kann aus dem Kind später nichts werden. Die Unsicherheit und Verwirrung wächst.
Die Experten gehen nach Hause und ich bleibe zurück. Eins steht für mich fest: Weil ich meine Kinder liebe, will ich eine gute Mutter sein. Aber was macht eine gute Mutter aus?
Jeden Tag, eigentlich jeden Moment mit den Kindern will ich als Mutter alles richtig machen. Schließlich will ich später mal mit meinen wunderbaren, dann bereits erwachsenen, Kindern am Kaffeetisch sitzen und von ihnen hören, dass ich eine tolle Mama bin. Dass sie mich über alles lieben und mir für ihre Erziehung danken. Mit diesem hehren Wunsch vor Augen balanciere ich manchmal sekündlich zwischen streng sein und meine Kinder verwöhnen, zwischen Kontrollzwang und zu viel verlangter Eigenverantwortung, zwischen Über- und Unterforderung.
Ich geb es zu mit jedem Tag, den meine Kinder älter werden, vielleicht auch mit jedem Tag, den ich älter werde, mit jedem Lob von einem Außenstehenden über meine Kinder, fällt es mir leichter auf mein Bauchgefühl zu hören. Einfach meine Augen zu öffnen und zu sehen, wie wundervoll meine Kinder sind. Ihrem und meinem Gefühl zu vertrauen was wir brauchen und wie wir unser Leben gestalten. Trotzdem weiß ich heute mit drei Kindern und schon einigen gesammelten Erfahrungen immer noch nicht, wie ich eine perfekte Mutter sein kann.

Allerdings habe ich es geschafft mich selbst davon zu überzeugen, dass ich nicht alles richtig machen muss. Ich muss nur versuchen das meiste richtig zu machen und ich muss meinen Kindern zeigen, dass ich sie liebe. Dass sie für mich die tollsten Menschen auf der Welt sind. Egal, ob sie gerade die neue Tapete abgerissen, die Zahnbürste zum zwanzigsten Mal zerbissen oder die nervtötende Melodie zum drei millionsten Mal lauthals gesungen haben. Das ist für mich das wichtigste an einer Mutter: Diese bedingungslose Liebe.
Ganz ehrlich, ob sich meine Gratwanderung gelohnt hat, das werde ich sowieso erst in vielen Jahren erfahren. Erst wenn meine Kinder selbst Eltern sind und mich in den Arm nehmen und mir sagen, dass sie mich lieben. Erst dann werde ich wissen, ob ich alles richtig gemacht habe – auch wenn ich keine perfekte Mutter bin.


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