Bildungsgerechtigkeit? Fehlanzeige!

Bildungsgerechtigkeit? Fehlanzeige!

Einfluss der Familiensituation auf die Bildung

Heute erzählten mir die Kinder, dass eine Schulkameradin die Grundschule verlassen wird. Sie wird ab dem nächsten Schuljahr eine Schule besuchen, auf der sie mehr Zeit zum Lernen hat und die sie mehr fördert.

 

Ich kenne die Familiensituation und leider kommt diese Nachricht für mich nicht überraschend. Nicht weil ich mir schon immer gedacht habe, dass das Kind Förderung benötigt, sondern weil ich weiß, dass das Elternhaus nicht in der Lage ist die Defizite in der schulischen Bildung auszugleichen.

Das klingt hart, stellt aber die aktuelle Schulsituation sehr gut da.

 

Keine individuelle Förderung der Schüler

Meine Kinder haben beide eine Klasse übersprungen. Trotzdem muss ich mir immer wieder Zeit nehmen um ihnen einzelne Dinge zu erklären oder Hausaufgaben mit ihnen zu besprechen. Das ist zu einem gewissen Maß bestimmt völlig in Ordnung. Nicht auf jedes Kind kann in der Schule zu 100% eingegangen werden. Leider ist es aber mittlerweile so, dass zu viele Kinder zuhause ausgeprägte Unterstützung benötigen um in den vorgegebenen vier Jahren erfolgreich durch die Grundschule zu kommen.

Wir sprechen hier nicht vom Gymnasium. Wir sprechen von der Grundschule.

 

Eltern als Hilfslehrer

Viele Eltern mit denen ich gesprochen haben, sitzen entweder jeden Tag mit den Kindern bei der Nachbearbeitung der Schulaufgaben oder haben diese Tätigkeit bei der Nachhilfe ausgelagert. Ich betone noch einmal hier geht es um die ersten vier Jahre der Schulbildung. Über Grundlegendes, das jedes Kind können sollte. Leider schafft es unsere Bildungslandschaft bei einigen Kindern nicht den Lehrauftrag zu erfüllen.

 

Sitzenbleiben in der Grundschule

Würden die Eltern nicht als „Hilfslehrer“ eingreifen wäre es noch mehr als die ungefähr 10% der Kinder*, die bereits in der Grundschule eine Klasse wiederholen müssen.

Kinder, die nicht anders sind als ihre Altersgenossen. Sie sind vielleicht bei einigen Themen etwas langsamer und würden an der ein oder anderen Stelle etwas mehr Unterstützung benötigen. Leider gibt es diese Unterstützung an einigen unserer Schulen nicht in ausreichendem Maß. Ausbaden dürfen es die Schüler. Grundschüler, die bereits in den ersten vier Jahren ihrer Schullaufbahn eine Extrarunde drehen müssen. Die bereits in den ersten vier Jahren erfahren wie es sich anfüllt zu scheitern. Zu scheitern am Lernstoff und deshalb aus dem sozialen Gefüge gerissen werden und sich in eine neue Klasse integrieren müssen.

 

Unterschiede zwischen Schulen gravierend

Ich schüttele immer wieder den Kopf.

Bin erschüttert darüber wie viel Einfluss die unterschiedliche Qualität und Ausstattung unserer Schulen für den Erfolg einzelner Kinder hat. Sehe, dass Kinder aus bildungsferneren Familien noch geringere Chancen haben, und bin erschüttert bis in die Grundfeste meiner Überzeugung. Jedes Kind sollte die gleiche Chance auf Bildung haben – unabhängig von seiner Herkunft und der finanziellen Ausstattung seiner Eltern.

 

Studie zur Bildungsgerechtigkeit

Dass das nicht so ist beweist auch der aktuelle Nationale Bildungsbericht.

Immer mehr Schüler verlassen die Schule komplett ohne Bildungsabschluss. Dieser Anstieg lässt sich vor allem durch die gestiegene Anzahl von Schülern mit Migrationshintergrund erklären. Wir schaffen es als Bildungsland Deutschland nicht Kindern, die nicht hier geboren sind, die entsprechende Unterstützung beim Überwinden der Sprachbarriere zu bieten.

Noch gravierender zeigt sich die Bildungsungleichheit bei der Hochschulbildung. Nur 24% der Kinder von Nicht-Akademikerkindern studieren. Bei den Akademikerkindern sind es 79%.

 

Welch Armutszeugnis für unsere Bildungslandschaft.

 

Bildungsgerechtigkeit Utopie?

Ich bin an der Stelle sehr dankbar, dass wir es leisten können unsere Kinder zu unterstützen. Dass wir sie dazu befähigen können ihr Potential zu entfalten und ihnen hoffentlich einen hohen Schulabschluss zu ermöglichen. Etwas, das aus meiner Sicht, den Einstieg ins Berufsleben enorm erleichtert.

Und ich bin an der Stelle sehr traurig darüber, dass das nicht allen Kindern vergönnt ist und damit meine ich nicht das engagierte Elternhaus. Damit meine ich einzig und alleine die Möglichkeit in der Schule gemäß ihrem Potential gefördert zu werden und den bestmöglichen Abschluss zu erreichen.

 

Wie seht ihr das? Welche Erfahrungen habt ihr mit dem Schulsystem gemacht? Ist es vielleicht bei euch völlig anders?

 

Mit diesem Text bewerbe ich mich für den scoyo ELTERN! Blog Award 2018.

 

Warum Bildungsgerechtigkeit in Deutschland auch in der Grundschule noch lange nicht erreicht ist #Bildung #Schule #Bildungsgerechtigkeit #Grundschule

 

* Die 10 % sind keiner Studie entnommen, sondern entsprechen meinen Beobachtungen. Die Zahl kann tatsächlich niedrigen oder höher liegen, wenn jemand eine verlässliche Quelle hat, würde ich mich über eine Information sehr freuen.



6 thoughts on “Bildungsgerechtigkeit? Fehlanzeige!”

  • Ein guter Artikel, da ich selbst noch keine Schulkinder habe, sehe ich das Thema noch nicht „aus der ersten Reihe“. Ich höre nur so viele Horrorgeschichten über das heutige Schulsystem und bin mir sehr unsicher ob das heute wirklich so viel besser ist als damals bei uns wo es kaum Vergleichs- und Auswahlmöglichkeiten gab und angeblich alle Kids ohne Förderung zwangsläufig untergingen.

    Ich kenne mehrere Positivbeispiele von Nichtakademikerkindern und möchte hier einfach mal die Geschichten von mir und meinem Bruder erzählen.
    .
    Ich war eine der Jüngsten als ich mit sechs Jahren eingeschult wurde. Ich war sehr intelligent, hatte mir bereits im Kindergarten selbst das Lesen beigebracht, aber ich war klein und sozial-emotional noch etwas hinterher. Es wurde daher mit der Schulleitung vereinbart mich „auf Probe“ einzuschulen. Ich kam aber offensichtlich nicht so gut mit und wurde nach drei Monaten zurück gestellt. Ich besuchte den Rest des Schuljahres die Vorschule und wurde im nächsten Jahr erneut eingeschult. Diesmal kam ich mit und entwickelte mich sehr gut. Als dann in der vierten Klasse es um die weiterführende Schule ging, bekam ich die Empfehlung für die Realschule. Nicht weil ich das Gymnasium nicht gepackt hätte sondern weil ich gelegentlich doch etwas lernfaul war und die Lehrerin der Meinung war, dass das so besser wäre. Das war es dann auch. Manche Themen lagen mir gut, für andere musste ich viel lernen und meine Mutter (Mittlere Reife, Vermessungstechnikerin) half mir wo sie konnte. Ich machte zum Schluss meinen Realschulabschluss mit einem Schnitt von 1,9. Im Anschluss besuchte ich das Technische Gymnasium wo ich mir selbst das Ziel setzte so gut sein zu wollen wie beim Realschulabschluss. Hier musste ich mich ganz alleine durchkämpfen, meine Mutter konnte mir jetzt nicht mehr helfen und mein Vater (Hauptschule, Malergeselle) schon gar nicht. Nachhilfe zu bezahlen konnten meine Eltern sich nicht leisten. Trotzdem schaffte ich es mein Abi mit 1,7 abzuschließen. Damit machte ich dann noch ein duales Maschinenbaustudium und darf mich heute Dipl.-Ing nennen. Ich bin damit die erste in unserer Familie die studiert hat.

    Mein Bruder war immer wild und ungestüm. Schon im Kindergarten wurde meine Mutter mit ihm von einer Therapie zur nächsten geschickt. Logopädie, Krankengymnastik, Kindepsychologie und Pipapo. Ergo gab es da noch nicht. Bei der Schuluntersuchung wollte die Amtsärztin ihn dann auf die Förderschule schicken weil er nicht mitmachen wollte. Aber er war gelangweilt weil er die ganzen Tests durch die Therapien schon kannte und er versuchte selbst immer gern die Leute hinter’s Licht zu führen. Meine Mutter widersprach und bat die Schulleitung darum ihn sich selber nochmal anzusehen. Die Leiterin verbrachte eine ganze Stunde mit ihm und sagte dann: „Wir versuchen das“.
    Nach einem halben Jahr wurde bei ihm dann ADHS diagnostiziert. Davon hatten wir bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gehört. Er bekam Medikamente und kam nun so in der Schule einigermaßen mit. Nach der Grundschule besuchte er die Hauptschule und dann die Werkrealschule. Er machte eine Lehre zum Kfz-Mechatroniker und dann nebenberuflich in der Abendschule den Kfz-Meister. Heute ist er der Werkstattmeister eines lokalen öffentlichen Verkehrsbetriebes. Ich bin sehr stolz auf ihn, weil er es trotz seiner Schwierigkeiten es geschafft hat so weit zu kommen. Sein Meistergrad wird inzwischen dem Bachelor gleichgestellt, was bedeutet, dass er nen mit mir vergleichbaren Abschluss hat. Das freut mich sehr für ihn.

    Mein Vater hat übrigens mit über 40 Jahren noch einen Meisterlehrgang gemacht, für den ICH dan IHM dann Nachhhilfe gab.

    Was ich sagen möchte:
    Verabschiedet euch davon euer Kind unbedingt aufs Gymnasium schicken zu wollen. Es ist doch besser eine gute bis sehr gute Mittlere Reife zu haben als ein mittelmäßiges Abitur. Es gibt so viele Möglichkeiten beruflich weiter zu kommen. Es ist nicht schon „vorbei“ wenn in der vierten Klasse keine Empfehlung fürs Gymnasium ausgesprochen wird. Jedem Menschen stehen alle Wege offen, wenn er will und sich auch dahinter klemmt. Dazu reicht es auch erst später „den Knopf aufzumachen“.

    • Hallo,

      Vielen Dank für den interessanten Einblick in eure Geschichte.

      Ich bin mir im Klaren, dass man auch über den zweiten oder dritten Bildungsweg Abitur und auch ein Hochschulstudium absolvieren kann und du hast vollkommen recht, dass man am Ende genauso erfolgreich – oder sogar erfolgreicher – sein kann, wie jemand der den Weg geradlinig absolviert hat.

      Trotzdem würde ich mir wünschen, dass bei allen Kindern direkt ihr Potential gesehen wird.
      Du schreibst, du warst nur ein „bisschen lernfaul“ und bekamst deshalb keine Empfehlung. Ich finde es traurig, dass die Lehrer dich nicht motiviert haben, weil du das Gymasium bestimmt auch direkt erfolgreich abgeschlossen hättest und dir den Umweg gespart hättest. Jetzt fehlt mir natürlich die Erfahrung, aber wäre das im Endeffekt nicht einfacher gewesen?

      Viele Grüße
      Mama Maus

      • Es war kein Umweg, nur ein anderer Weg. Ich hab mein Abi zeitgleich mit denen gemacht die direkt aufs Gymnasium sind. Und ich bin froh drum. Es war zu der Zeit in der meine Eigenmotivation nicht so stark war, besser für mich. Auf dem Gymnasium wäre ich in der Zeit 6.-8. Klasse wohl gnadenlos untergegangen. Ich bin wirklich überzeugt, dass dies so genau der richtige Weg war.

        • Hallo,

          Ich bin mir sicher, dass dein Weg für sich genau der richtige war. Es tut mir leid, falls das falsch rüber gekommen ist.

          Bei uns war es früher so, dass man aus der 10. Klasse Realschule nur in die 10. Klasse Gymnasium wechseln konnte. Am Ende hatte man das Abitur somit in 13 Jahren und somit ein zusätzliches Jahr. Wie das heute ist kann ich gar nicht sagen.

          Viele Grüße
          Mama Maus

          • Ich bin erst jetzt nochmal hier drüber gestolpert.

            Tatsächlich hätte ich ein Jahr verloren wenn ich nach der mittleren Reife auf ein „normales“ allgemeinbildendes Gymnasium gewechselt hätte weil ich dann die 10. Klasse wiederholen hätte müssen. Aber ich habe ein technisches Gymnasium besucht. Hier kamen in der 11. Klasse Schüler mit unterschiedlichen Vorbildungen zusammen. Manche wechselten von allgemeinbildenden Gymnasien her, andere hatten eine Realschule oder Werkrealschule besucht und wieder andere sich über zwei Jahre an einer Berufsfachschule vom Hauptschulabschluss zur Mittleren Reife hoch gearbeitet. Mittlere Reife bzw. 10. Klasse Gymnasium war für alle der Ausgangspunkt aus völlig unterschiedlichen Wegen. Die 11. Klasse war dann quasi dazu da, alle auf den gleichen Stand zu bringen. Die Gymnasiasten waren im naturwissenschaftlichen Bereich meist etwas „hinterher“, während es bei den Realschülern und Fachschülern eher im sprachlichen Bereich haperte. In der 12. und 13. wurde dann mit Hochdruck auf das Abitur hin gearbeitet.

            Solche berufliche Gymnasien gibt es für viele Bereiche:
            – Technik
            – Biotechnologie
            – Ernährungswissenschaft
            – Wirtschaft
            – Sozialpädagogik
            und noch viele mehr. Und überall kann man das allgemeine Abitur ablegen.

            Es gibt so viele Möglichkeiten auf direktem, aber eben anderem, Weg das Abitur zu erreichen. Da finde ich es nicht schlimm die Weiche in der 4. Klasse erst mal auf den etwas leichteren Weg zu stellen. Schließlich sollen unsere Kinder ja noch Kinder sein dürfen und nicht nur mit Lernen für die Schule beschäftigt sein.
            Meine Mitschüler aus der Grundschulzeit, welche auf das Gymnasium wechselten habe ich meist erst nach Jahren wieder gesehen. Während wir Realschüler und die Hauptschüler uns Nachmittags im Dorf auf der Straße noch trafen und Freizeit hatten, waren die Gymnasiasten meist bis Abends mit Lernen beschäftigt. Ich weiß nicht ob das wirklich so erstrebenswert ist.

            Bitte nicht falsch verstehen. Das Gymnasium direkt nach der Grundschule hat für mich durchaus seine Daseinsberechtigung. Aber ich beobachte, dass viele Eltern glauben, wenn ihr Kind in der 5. Klasse nicht auf das Gymnasium wechselt, ist alles „vorbei“ und es wird nie erfolgreich werden. Und das Schlimme ist, Kindern wird das ebenfalls so vermittelt. Aber das ist schlicht und ergreifend falsch. Wer will, kann mit Fleiß alles erreichen. Aber der Fleiß sollte meiner Meinung nach nicht von durch eine vorgegebene Schulform angezwungen werden sondern freiwillig sein.

          • Du hast vollkommen Recht, dass man Fleiß nicht erzwingen sollte.
            Bei uns ist es aber tatsächlich so, dass man mit dem 2. Bildungsweg ein zusätzliches Schuljahr absolvieren muss oder „nur“ ein fachgebundenes Abitur ablegen kann.

            Mir geht es auch nicht darum Kinder in die vermeintlich bessere Schulform zwingen zu wollen, sondern ihr Potential optimal zu nutzen. Gerade bei meinen Kindern fällt mir auf, dass sie gefordert werden möchten, ansonsten langweilen sie sich und verweigern die Mitarbeit.

            Ich stimme dir zu, dass Kinder vor allem bei G8 weniger Freizeit haben, aber auch das ist machbar und ich persönlich habe es im Rückblick nicht als Einschränkung empfunden. Wirklich länger in der Schule musste ich am Nachmittag nicht bleiben und die Hausaufgaben waren immer gut machbar. Ich hatte trotzdem viel Freizeit. An der Stelle kommt es aber wohl tatsächlich auf das einzelne Kind an – so wie immer – wer sich schwer tut und deshalb stundenlang an Hausaufgaben sitzt für den ist das, wenn er es nicht von sich aus so möchte, nicht der richtige Weg.

            Im Endeffekt sollten wir als Eltern auf unsere Kinder hören und ihre Wünsche beachten und dabei sollten unsere Kinder durch die Schule optimal unterstützt werden.

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